Mittwoch, 19. Februar 2014

Siamese Part 1: Fun-Fact, Die Nerven haben mehr Spaß haben als Jawbreaker

Fun gegen Unfun. Wer da wohl mehr Spaß an der Sache hat. So klar ist das Ergebnis nicht.
Noch ganz schön grün hinter der Ohren ist die neue Platte der Stuttgarter Band Die Nerven. Fun heißt sie. Spaß ist trotzdem anders. Grinseln sollen andere. Hier kratzt und holpert es. Überall Stacheln und Gespenser. Fieses braut sich zusammen. Wer sich hier angesichts der Stimmung gruselt, den nehmen die Nerven trotzdem liebevoll an die Hand. Schatten verwandeln sich in strubbelige Schwaben-Jungs. Zuversichtliche Planlosigkeit empfängt den Hörer. Ungehobelter, wüster Sound, treibender Bass, repetitiver Groove, ein wütendes und dennoch dezentes Schlagzeug, während der Gesang mal taumelt mal um sich schlägt. Während die einen nicht kapieren, haben die hier schon verstanden. "Das ist immernoch dein Leben, auch wenn du selbst nichts mehr entscheidest. Hörst du mir zu?" Entschiedene Sätze. Die wollen reden, aber ohne Zeigefinger. Diskurs ist mehr als Kritik und Platz für diesen ist hier reichlich. Dinge werden beim Namen genannt und bleiben dennoch unklar. "Und ja, es geht mir besser als ich ausseh. Und nein, ich hab hier nichts verloren." Ängste vor Begebenheiten, Ängste vor Situationen. Wenn die damit leben können, kann ich das auch. Unzulänglichkeiten sind ok. Der Sound ist perfekt, meschlich, pur. Hier haben drei keine Scheu sich mit ihrem So-Sein abzufinden und wollen kein Mitleid. Tendenz: angepisst. Wütend klingt Fun daher auf weiten Strecken und ziemlich ungehobelt. Das ist schlau, denn solange nicht alles in Ordnung, bleibt keine Zeit für Liebeslieder. Die Nerven wollen unter die Haut, tief ins Gewebe, nicht nur streifen. Keins der Stücke lässt Intensität vermissen. Denen glaub ich alles. Von denen will ich Staubsauger kaufen. Also gehen wir ein Stück zusammen, oder auch zehn. Eh wir gemeinsam stolpern. Von wegen "Nie wieder Scheitern". Fun hilft dir sicher nicht auf, aber aufgeschürfte Knie tun so weniger weh. Ungewollt perfekt. Und die sind noch so jung! Meine Lieblingsplatte 2014.
"Unfun" hat im Vergleich dazu schon 24 Jahre auf dem Buckel. Jawbreaker haben hier gekocht. Entsprechend herrscht Küchenchaos. Herzbrocken auf dem Kachelboden, Melancholie und jede Menge ungewaschenes Geschirr. Die traurigen Post-It´s der ehemals Liebsten kleben am Kühlschrank. Irgendwo tropft Selbstmitleid. Niemand will das aufräumen, aber einer muss. Also die gelben Gummihandschuhe angezogen. Herr Schwarzenbach greift selbst zum Wischmopp. Sanierungsarbeiten am Ego, bis alles blitzt. Das braucht seine Zeit und die nimmt sich Unfun. Ungezwungen. Die singen vom Wollen und Nicht-Können, von Unmut und vom Unfertig-Sein. Mal energischer, mal seicht, doch stets ehrlich. "Emo" nennt man das nicht umsonst. Schlaue Ratschäge hört man hier nicht. Alles zu seiner Zeit. Bier auf, Chaos betrachten, durchatmen...sich sammeln. Man arbeitet sich durch Herzschmerz und Unsicherheit zum Kern der Sache vor. Und so langsam wirds wieder. Versöhnlich, vielleicht sogar zuversichtlich. Weil über die Boxen "Fun" läuft und irgendwie am Ende ja doch alles wieder gut wird.

Freitag, 14. Februar 2014

Rückfall ins Menschliche

Den Raum zwischen zwei Orten füllt eine gewisse Magie. Er ist weder das eine noch ist er das andere und was er genau ist, lässt sich so leicht gar nicht sagen. Seine Kraft speist sich aus der Bewegung, aus dem Weg, aus dem Nicht-Verweilen. Was aber passiert, wenn man nun in dem einen oder auch dem anderen ankommt? Wenn der Mensch mit den Orten konfrontiert wird? Eine dumpfe Stille, die nach mehrwöchigem Reisen im Kopf hallt sobald die Bewegung stoppt. Fürchterlich leise. Befremdlich. Kalt und durchaus unbequem. Gemütlich ist das nicht.
Wohl daher vermeidet die Generation, der ich zugehöre, ein Innehalten. Hetzen von einem Städtetrip zum nächsten. Von der Party zum Auslandssemester, vom Praktikum zum Erlebnisurlaub. Immer schneller, fast einem Wettbewerb gleich. Wem gelingt es wohl mehr Abenteuer in eine Zeitspanne zu pressen? Aber bestimmte Lebensphasen fordern nun einmal Bekenntnisse, oder so meint man zumindest. Auf einen Job festlegen: ok. Auf eine Stadt festlegen: o.k. Auf einen Menschen festlegen: Arrgghhhhh! Darüber reden wir später nochmal. Einfach dem Impuls folgen. Bedenkenlos habe ich meine sieben oder fünfzehn Sachen gepackt und den vermeintlichen Traumjob angenommen. Frei von Vorurteilen der Stadt oder Menschen gegenüber. Neue Menschen lernt man ja überall kennen. Kein Kunststück. Das sollte auch hier nicht schwer fallen. Inne halten. Dort sein. Stehen. Zumindest kurz.
Doch alles ist anders, der Plan ein Fehlkonstrukt, statisch der Realität nicht gewachsen. Dabei gab es doch gar keine Erwartungshaltung …
Und alles ist leise. Der Job nicht meins, die Stadt immer noch fremd, die Menschen nett aber noch nicht vertraut. Kein guter Start. Uns verbinden keine zehn Jahre, keine betrunkenen Morgen, keine überflüssigen Tränen und keine peinlichen Aussetzer. Deine Freunde warten in sechs Stunden Fahrtdistanz. Ich fühle mich fremd und falsch. Das ist nicht unbedingt die Antwort, die Menschen bei einer Befindensfrage hören wollen. Doch das ändert nichts am Zustand. Ich spüre Verunsicherung und Angst. In jeder Faser. An der Stadt liegt es nicht. Dieser Schleier des Misstrauens lässt das schöne Bild nur nicht ganz zu mir durch. Meine Gedanken und Bewegungen sind irgendwie gelähmt. So kann man nicht tanzen. Nicht im Raum, nicht am Ufer entlang und schon gar nicht durchs Leben. Und obwohl mir bewusst ist, dass ich diesen Zustand nur selbst ändern kann, fühl ich mich machtlos. Auch das passiert. Stolpern ist Menschensache, macht menschlich. Repräsentativ ist es nicht. Alle streben nach Mühelosigkeit, nach Leichtigkeit, einer geraden Linie. Damit kann ich gerade nicht dienen. Und weil dem so ist, umarme ich den Umstand so wie er ist. Ich lasse mich fallen in mein Mensch Sein. Ins Menschliche. Mein Rückfall. Und auch das ist ok. Vielleicht muss ich einfach nur eine Weile die Füße still halten.